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Mit einer Sehbehinderung im Arbeitsleben: Was Lucas sich von Sehenden wünscht

Seit 16 Jahren arbeitet Lucas bei AKQUINET. Geboren wurde er mit der Augenerkrankung Grüner Star. Doch ihm ist wichtig, dass er darauf nicht reduziert wird, denn „jeder hat seine Stärken“. Lucas Stärke ist zum Beispiel die Kommunikation. Wir haben ihn gefragt, was er sich von Menschen ohne Sehbehinderung wünscht:

Hallo Lucas, du hast dich 2017 schon einmal hier im Karriereblog vorgestellt. Könntest du trotzdem noch einmal kurz sagen, was du hier bei AKQUINET machst?

Ich arbeite bei AKQUINET im Front Desk, das ist ein Teil des Service Desk. Wir sind sozusagen die Anlaufstelle für Service Requests und Incidents. Man kann es sich also so vorstellen, dass wir der SPOC (Single Point of Contact) für unsere Kunden sind, wenn sie technische Unterstützung benötigen, Störungen oder Fragen zu IT oder Telefonie haben. Sie melden sich dann telefonisch oder per E-Mail bei uns. Entweder helfen wir dann direkt oder geben es an die entsprechende Fachabteilung weiter.

Seit 16 Jahren bist du schon bei uns und hast Einiges erlebt. In diesem Jahr war aber sicher alles anders, oder?

Ja, seit April arbeiten ich und fast alle meine Kollegen im Home Office. Das funktioniert sehr gut. Am Anfang kamen sehr viele Tickets von unseren Kunden rein, die ebenfalls zahlreich aus dem Home Office arbeiten mussten – manche zum ersten Mal. Daher brauchten sie viel Unterstützung.  Sie wollten zum Beispiel wissen, wie der VPN-Zugang funktioniert. Einer unserer Kunden – die Stiftung Alsterdorf – hat extra eine Corona-Hotline eingerichtet. Die Einrichtung dieser Hotline lief auch über den Front Desk. Wir haben die Anfrage schnell an den zuständigen Dienstleister übergeben.

Du bist mit dem Grünen Star auf die Welt gekommen. Was verbirgt sich dahinter?

Beim Grünen Star kann das Wasser im Inneren des Auges nicht richtig abfließen. Dadurch steigt der Augeninnendruck, was dazu führt, dass der Sehnerv beschädigt werden kann. In meinem Fall habe ich deshalb noch ein Restsehvermögen von ca. 10 Prozent. Das kann man sich als sehender Mensch schwer vorstellen. Theoretisch heißt das, dass ich für das, was du aus 100 Metern Entfernung sehen kannst, aus zehn Meter sehe. Ich muss also deutlich näher ran gehen. Aber nicht nur die Größe von Schrift oder Gegenständen ist allein ausschlaggebend, sondern auch die Deutlichkeit und der Kontrast.

Hast du daher eine angepasste Farbdarstellung an deinem PC. Wie funktioniert das?

Ja, meine Darstellung am PC ist z. B. so eingestellt, dass ich weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund habe. Das ist für mich deutlicher und dann habe ich noch meine Lupe. Inzwischen gibt es da auch Programme für Menschen mit einer Sehbehinderung zum Vergrößern der Inhalte auf dem Monitor, aber mit meiner Lupe bin ich viel schneller und flexibler und sehr zufrieden.

AKQUINET hat im letzten Jahr eine Gitarre für einen guten Zweck ersteigert und sie auf den Weg geschickt, um den Inklusionsgedanken über Musik weiterzutragen. Auch du hast mit deiner Band teilgenommen. Warum hast du das gemacht?

Jeder hat seine Stärken, auch wenn man eine Einschränkung hat. Ich kann zum Bespiel weniger sehen, aber dafür gut kommunizieren. Eine Behinderung sollte für ein Unternehmen kein Grund sein, eine/n Bewerber*in abzulehnen. Sie sollten ihn oder sie aber auch nicht nur einstellen, weil es nach außen gut wirkt oder sie die Ausgleichsabgabe nicht zahlen müssen. Man sollte es aus Überzeugung machen und weil der/die Mitarbeiter*in dem Unternehmen beim Erreichen seiner Ziele hilft. Bei AKQUINET geht es zum Bespiel um gute IT-Lösungen und danach erfolgt auch die Einstellung von neuen Mitarbeitenden. Ich finde es gut, dass sich das Unternehmen dabei auch für Inklusion engagiert. Das war ja schon immer so durch die Zusammenarbeit mit der Stiftung Alsterdorf. Ich unterstütze gerne dabei, diesen für uns selbstverständlichen Inklusionsgedanken nach draußen zu tragen. Die Gitarre war da ein tolles Symbol auf unserem Konzert in der Indra Bar auf St. Pauli, obwohl ich zugeben muss, dass der Sound nicht so gut war. ?

Trotz Sehbehinderung spielt Lucas in einer Band und nahm auch die Wandergitarre mit Inklusionsgedanken mit zum Konzert.

Was wünscht du dir von Menschen im Umgang mit Personen, die eine Sehbehinderung haben?

Ich kann nur von mir sprechen und ich wünsche mir, dass man mich einfach so behandelt, wie alle anderen auch. Ich möchte nicht auf meine Behinderung reduziert werden. Manchmal sind neue Kolleg*innen ein bisschen reserviert. Dann erkläre ich kurz, warum mein Monitor etwas anders aussieht oder ich eine Lupe in der Hand habe. In all den Jahren habe ich dabei immer nur positive Reaktionen wahrgenommen. Ich persönlich mag es nicht, wenn Leute so übervorsichtig mit mir umgehen. Generell sollte man, wenn man nicht weiß, welche Behinderung ein Mensch hat und wie man damit umgehen kann, am besten offen und ehrlich fragen.

Nicht alle Menschen mit einer solchen Behinderung sind so selbstständig. Woran liegt das?

Meine Meinung ist, dass der Grundstein dafür schon im Elternhaus und in der Schule gelegt wird. Ich war auf einer Grundschule für Kinder mit einer Sehbehinderung, habe dann aber auf eine normale Stadtteilschule gewechselt. Da habe ich gemerkt, dass alles anders läuft und vorher viel mehr Rücksicht genommen wurde. Aber genau das hat mir dabei geholfen, selbstständig zu werden und mich durchzusetzen. Aber natürlich kommt es auch auf das eigene Wesen an. Ich bin offen und humorvoll, bringe also auch mal einen Spruch und bin nicht zurückgezogen. Ich benehme mich eigentlich so, als hätte ich keine Einschränkung. Dadurch habe ich direkt Freunde gefunden und wurde von allen akzeptiert.

Bist du für mehr Inklusion in den Schulen?

Soweit es die Rahmenbedingungen und die Art der Behinderung zulassen, ja. Auch für Menschen ohne Behinderung ist es dann normal, dass es Menschen mit Einschränkungen gibt und sie lernen damit umzugehen.

Vielen Dank für deine Zeit, Lucas.


Lucas arbeitet bei uns im Bereich IT-Outsourcing. So wie unser Kollege Jannick. Erfahre mehr über ihn:

2017 hat Lucas uns schon einmal von seiner Sehbehinderung erzählt. Hier kommst du zum Interview:

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